Was versteht man unter “MES”?
Manufacturing Execution Systeme (MES) gibt es jetzt schon seit geraumer Zeit und es existieren sprichwörtlich hunderte Möglichkeiten für MES-Lösungen. Da MES eine sehr breite und oft auch nicht miteinander verknüpfte Bandbreite von Themen umfasst, die alle einen Mehrwert haben, gibt es kaum zwei MES-Lösungen, die denselben Funktionsumfang aufweisen. Dies galt in besonderem Maße in den letzten Jahren, wenn man sich vor Augen führt, wie rasant die digitalen Technologien im Zusammenhang mit den Initiativen „Smart Factory“ oder Industrial Internet of Things (IIoT) voranschreiten. Daher ist es wichtig, die Prinzipien und Technologien zu verstehen, die hinter MES stehen, damit es sich Ihren Wünschen und Bedürfnissen anpasst und nicht andersherum.
In dieser dreiteiligen Blog-Reihe werden wir die grundlegenden Konzepte von MES einmal genauer unter die Lupe nehmen. Unabhängig davon, wie intensiv Sie sich bisher mit der Thematik auseinandergesetzt haben, werden wir Ihnen wertvolle Tipps geben und Ihnen die Prinzipien näherbringen, die sie dann in Ihre Wissensdatenbank aufnehmen können. Sie können sich hier auch das vollständige Whitepaper „Grundlagen eines MES“ herunterladen.
Die beste Herangehensweise an ein MES
Die beste Herangehensweise an ein MES besteht darin, die wesentlichen Geschäftsziele zu definieren, die erreicht werden müssen und danach erst die weniger wichtigen Punkte in Betracht zu ziehen. Damit kann man sich das planlose Durchforsten von technischen Spezifikationen ersparen, die alle eine schier unüberschaubare Anzahl von Funktionalitäten aufweisen, die solange verwirrend sind, bis geklärt ist, was den eigentlich gebraucht wird.
Tatsache ist, dass viele MES Funktionen für ein unmittelbares bestimmtes Bedürfnis völlig irrelevant sein können. Das ist natürlich im Auswahlprozess eine sehr große Hilfe. Man sollte allerdings nicht aus den Augen verlieren, dass diese Funktionen in Zukunft doch noch an Bedeutung gewinnen könnten. Aber darauf gehen wir später noch genauer ein.
Ihr Ziel bei der Auswahl der passenden MES-Software (und der diese unterstützenden Hardwaretechnologien) sollte den Weg hin zu einer einzigen Plattform ebnen, die auch die Geschäftsziele erfüllen kann, die man sich erst für die Zukunft vorgenommen hat, ohne dass diese dann ersetzt werden müsste. Die Kosten, die hierbei für ein MES System anfallen, bedeuten nicht einfach nur die Kosten der Soft- und der Hardware; vielmehr handelt es ich dabei um eine Investition in diejenigen Veränderungen, die ein Unternehmen mit MES vornimmt, damit das MES effektiv arbeiten kann. Unterschiedliche MES-System schreiben ihre eigenen “Best Practices” vor, deren Prinzipien genau mit Ihren aktuellen als auch mit den angestrebten Geschäftsvorgängen verglichen werden sollten. In den meisten Fällen können die Kosten für diese Veränderungen und die Betriebskosten deutlich höher als die Anschaffungskosten sein.
Das Zusammenspiel von MES und ERP
Ein MES wird, sobald es in Ihrer Fabrik implementiert worden ist, zusammen mit anderen bereits bestehenden oder zukünftigen Fabriksteuerungssystemen arbeiten. In beinahe jeder Fabrik findet sich eine Enterprise Resource Planning (ERP) Lösung, die in vielen Fällen sogar Funktionen aufweist, die sich mit denen von MES überschneiden. Ein ERP-System ist allerdings kein Äquivalent zu MES, da es typischerweise auf logische Planungsvorgänge in der Fabrik ausgerichtet ist, wohingegen sich ein MES-System eher mit den tatsächlichen physischen Vorgängen eines Betriebs befasst. Ein ERP-System an sich hat keinen Einblick in einzelne Fertigungsprozesse und -fähigkeiten. Daher muss es einen Zwischenprozess geben, der den ERP-Plan in etwas “übersetzt”, das dann auch ausgeführt werden kann. Ohne ein MES erfolgt dies oftmals manuell, was zum einen zeitintensiv ist und außerdem wertvolle Ressourcen verbraucht.
Mit Hilfe eines MES-Systems können Informationen aus ERP hinsichtlich bestimmter Anforderungen als Grundlage verwendet werden mit denen dann Produktionsvorgänge erstellt werden, die das MES verwaltet. Das MES wiederum meldet höchst präzise und detaillierte Echtzeitinformationen hinsichtlich aller Vorgänge an das ERP zurück, die dann dazu genutzt werden können, beim nächsten Mal die Planung verbessern. Dieses überzeugende Zusammenspiel zwischen dem ERP und dem MES ist, einschließlich der Überlegung an welcher Stelle der Austauschpunkt der beiden Systeme sein soll, ein wesentlicher Schlüsselfaktor. Am einfachsten ist es, die Rollen beider Systeme anhand ihrer Stärken zu definieren. In der Regel übernimmt in den meisten Fabriken ein ERP auf einfache und logische Art und Weise die Planung, wohingegen ein MES die komplexeren physischen Aufgaben, die in der Produktion stattfinden, live und detailliert verwaltet.
Der Ausgangspunkt – Der Wert eines MES
Wenn man MES in Erwägung zieht, beginnt man mit dem Endpunkt der Produktion und zwar der Fertigstellung eines versandbereiten Produkts. Aus Kundensicht ist hier die rechtzeitige Lieferung der entscheidende Faktor. Für den Fertigungsbetrieb sind das zum einen die Fertigungskosten und zum anderen die Fabrikkapazitäten. Für die Kapazität ist nicht nur die vorhandene Ausstattung entscheidend, sondern auch deren Nutzung, wenn es irgendwann unvermeidlich zu einem Wechsel der Produktmodelle kommt. Bei einer Fabrik mit hohem Produktmix wird deren Gesamteffektivität an dem Ausmaß an Flexibilität hinsichtlich der automatisierten und manuellen Produktionsvorgänge gemessen.
Es ist eine sehr schwierige Berechnung, wenn insgesamt die Fähigkeit bestimmt werden soll, Lieferziele auch dann einzuhalten, wenn viele unterschiedliche Arten von Produkten gleichzeitig produziert werden. Hier wird der erste potentielle Wert von MES sofort sichtbar. Zugriff auf ein computerbasiertes Modell der digitalen Fabrik schafft jederzeit und in allen Situationen Klarheit über den Status und die Leistung von Prozessen und schafft so Verbesserungsmöglichkeiten im Produktionsfluss und sogar in der Zuweisung von Arbeitsaufträgen. Ein Eckpfeiler von MES ist es, Endprodukte und Unterbaugruppen live zurückverfolgen zu können. Eine eindeutige Kennung, wie beispielsweise ein Etikett oder ein geätzter Barcode kann dazu verwendet werden, jeder Produktionseinheit auf ihrem Weg durch die Fabrik zurückzuverfolgen.
Die Vorteile eines einfachen MES-Vorgangs
Die eindeutige Kennung jeder Produktionseinheit wird an jeder Station gelesen und liefert unterschiedliche Schlüsselwerte. Zuerst verarbeitet das MES Informationen über jedes Ereignis, in diesem Fall das Anzeigen des Standortes jeder Produktionseinheit. Da das MES die Zeitpunkte auswertet, kann es anzeigen, wie die Produktionseinheiten die verschiedenen Stationen durchlaufen. Dies geschieht anhand von Graphen, die die wichtigsten Leistungszahlen (KPI) anzeigen, mit deren Hilfe dem Management in der Produktion und der Entwicklungsabteilung die Fertigungsleistung verdeutlicht wird. Auf diese Weise können Engpässe erkannt werden, bei denen die Produkte vor einer Arbeitsstation in einer Warteschlange stehen. Man spricht von einem Leerlauf, wenn Bediener darauf warten müssen, dass die nächste Produktionseinheit bei ihnen ankommt. Außerdem können Produktionseinheiten angezeigt werden, die bei Test- oder Inspektionsprozessen fehlschlagen und die zu Reparaturstationen ausgeschleust werden müssen, sowie die Störung, die dies für den Hauptprozessfluss bedeutet. Aus der Analyse des Durchlaufs von Produktionseinheiten durch die einzelnen Produktionsprozesse und die Zeit, die dazwischenliegt, können Details hinsichtlich der Effizienz, der Produktivität und der Gesamtanlageneffektivität (GAE) bestimmt werden.
Wenn man Produktionseinheiten auf diese Weise zurückverfolgt, bringt das auch andere Vorteile mit sich. Ein MES kann sicherstellen, dass die Übereinstimmung mit dem Arbeitsauftrag sichergestellt wird, sobald die ID eines Produkts gelesen wird, das bedeutet, dass jede Produktionseinheit nur in einer ganz bestimmten Reihenfolge den Prozess durchlaufen kann. Dies beinhaltet auch etwaige Reparaturschleifen. So kann sichergestellt werden, dass kein Produktionsprozess oder, und das ist noch entscheidender, kein Test und keine Inspektion verpasst werden. So können MES-Systeme, die mit den technischen Daten aus unterschiedlichen Systemen verlinkt sind, beispielsweise auch sicherstellen, dass der passende Standard für einen Vorgang und die Dokumentation über die Vorbereitung von Maschinen, die die Betreiber erhalten, genau mit dem herzustellenden Produkt übereinstimmt. Dies schließt auch abweichende Revisionen oder Materialien mit ein.
Wenn Dokumente elektronisch angezeigt werden können, werden Probleme, die auftreten, wenn Dokumentationen papierbasiert sind, ausgeschlossen. Dies gilt in besonderem Umfang bei Audits, bei denen die Einhaltung von Vorschriften und die Revisionskontrolle ENTSCHEIDEND sind. Daten aus Produktionsprozessen, etwa ein Testergebnis, können gesammelt und jeder Produktionseinheit zugeordnet werden. Auf diese Weise kann in Form von Rückverfolgbarkeit einer Produktionseinheit, eine Produktionshistorie erstellt werden. Der Grad der Komplexität hängt hierbei davon ab, welche Datenmenge von den Maschinen abgerufen werden kann und wieviel Zeit dann für manuelle Eingaben durch den Betreiber zur Verfügung stehen.
Die Konnektivität von Maschinen und die Qualität der Benutzeroberflächen des Systems sind die wesentlichen Faktoren für den Erfolg einer neuen MES-Installation. Hierbei sind die Fähigkeit, Daten von vielen unterschiedlichen Maschinen zu interpretieren sowie manuelle Betreibereingaben konsistent und übersichtlich zu sammeln und zu verwalten, ein klares Unterscheidungsmerkmal für die Fähigkeit eines MES. Bei manuellen Prozessen sind die MES Schnittstellen persönlich auf den Betreiber zugeschnitten und nicht notwendigerweise einem bestimmten Ort zugeordnet. In der Fertigung ist es üblich, dass bestimmte Produkte dedizierte physikalische Prozesse durchlaufen müssen, wie beispielsweise Funktionstests, damit nicht für alle Prozesse gleichzeitig Mitarbeiter eingesetzt werden müssen. Die Fähigkeit von MES, in einer mobilen Umgebung zu funktionieren, anstatt an festen Stationen installiert zu werden, ist in den dynamischen Fabriken von heute von entscheidender Bedeutung.
Dieser schnelle Blick auf die oberste Ebene eines MES liefert grundlegende Transparenz des Vorgangs, Wissen über die Funktionsweise und hebt gleichzeitig hervor, an welcher Stelle Verbesserungen vorgenommen werden können. Es müssen jedoch noch viele weitere Faktoren berücksichtigt werden, um herauszufinden, wie Änderungen angegangen werden können und welche Auswirkungen diese Änderungen haben können. Die Produktion hängt von vielen anderen Aspekten der Vorgänge einer Fabrik ab. Dazu gehören die Vorbereitung von Materialien und Logistik, Qualitätsmanagement, die technische Datenvorbereitung, die Verwaltung wichtiger Instrumente, Ressourcen und selbstverständlich auch der Mitarbeiter.
Der Umfang von MES reicht in die tiefergehenden Aspekte der Fabrikverwaltung hinein, um diese voneinander abhängigen Prozesse unterstützen zu können. So können Symptomursachen, die im Produktionsfluss vorkommen, angegangen werden und die abhängigen Prozesse selbst optimiert und verbessert werden. Der nächste Teil dieser dreiteiligen Blog-Reihe widmet sich der Frage, wie MES-Systeme mit Fabrikabhängigkeiten und internem Lieferkettenmanagement umgehen. Sie können sich hier auch das vollständige Whitepaper „Grundlagen eines MES“ herunterladen.
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