Heutzutage konzentrieren sich zu viele Unternehmen auf die bloße Beschaffung von Daten und erhoffen sich allein daraus einen echten Mehrwert. Bei Industrie 4.0 geht es jedoch darum, die Fabrik zu optimieren, die kleine Auftragslose und eine umfangreiche Bandbreite an Produkten herstellt. Dabei sollen sowohl Ausschuss als auch Stillstandzeiten vermieden werden. Deswegen untersucht Industrie 4.0 mehr als den bloßen internen Maschinenstillstand. Industrie 4.0 konzentriert sich vielmehr auf die Analyse derjenigen Zeiträume, aus denen keine Daten vorliegen, da entweder Anlagen nicht funktioniert haben oder anderweitige Prozessstörungen vorlagen. Allerdings stellt sich die Frage, wie „keine Daten“ überhaupt analysiert werden können. Die digitale Fabrik muss dazu in drei Ebenen unterteilt werden, die alle ihre eigene Transformation durchlaufen müssen.
Ebene 1: Die Fabrikhalle
Der Connected Factory Exchange (CFX) des IPC hat die digitale Fertigungswelt im Sturm erobert. Angesichts der beträchtlichen Kosten, des Ressourcenverbrauchs, der Risiken und der mit dem Einsatz verbundenen Ausfallzeiten der Produktionslinie ist die Menge an Informationen von Maschinen, aus Transaktionsvorgängen und von Mitarbeitern in der Fertigung groß. Die CFX-gesteuerte Transformation der ersten Ebene ist in vielen Unternehmen bereits in vollem Gange, da die meisten Maschinenhersteller CFX bereits ankündigen. Es wurden zahlreiche “Proof of Concept” (POC) Projekte gestartet und es werden noch etliche folgen. Die hinter CFX des IPC stehenden Konzepte von wahrem “Plug and Play”, “kostenlosen Maschinenverbindungen” und dem Versprechen der“ letzten Schnittstelle, die jemals benötigt wird“ spornen die gesamte Branche zu einer vollständigen Übernahme von CFX innerhalb der nächsten Monate an.
Ebene 2: Intelligente Fertigungssoftware (MES etc.)
Was die Konnektivität von Maschinen betrifft, waren sowohl die Funktionalität als auch der Leistungsumfang von Fertigungssoftware jahrelang stark beschränkt. Jetzt heben sich Lösungsanbieter deutlich von der Masse ab. Diejenigen, die an der Entwicklung und der Erstellung von CFX federführend beteiligt waren und CFX standardmäßig unterstützen, verfügen bereits über voll ausgereifte Lösungen auf Grundlage von IIoT-Architektur. Diese Lösungen bieten Vorteile für die digitale Fertigung der nächsten Generation. Andere Anbieter versuchen damit natürlich Schritt zu halten. Ihre Unterstützung von CFX wird ähnlich wie jede andere Schnittstelle erstellt, was zwar eine bemerkenswerte Verbesserungen darstellt, jedoch nur in dem Umfang, wie es das ursprüngliche Konzept ihrer Lösungen, die vor Jahrzehnten entworfen wurden, erlaubt. Tatsächlich hat durch die Einführung von CFX jedes Softwaresystem, sei es selbst entwickelt oder kommerziell hergestellt, das Potenzial sich zu verbessern.
Wenn man von den einfachen Schnittstellen absieht und sich mehr auf die IIoT-basierte MES-Plattform konzentriert, erhalten die CFX-Daten durch Echtzeit-Kontextualisierung einen entscheidenden Mehrwert. Betrachten wir als Beispiel eine alltägliche Abfolge von Ereignissen, bei denen ein „analoger Fabrikprozess“ mit einem Prozess verglichen wird, der ein digitales MES nutzt. Zu Beginn des Prozesses stoppt während der Produktion eine SMT-Maschine. Nun muss die Ursache des Stillstands entdeckt, behoben, die Produktion neu gestartet und die Vorgänge dahingehend optimiert werden, dass ein derartiges Ereignis nicht erneut eintritt.
Die analoge Fabrik:
Der Arbeiter in der Produktion bemerkt eine Warnleuchte an einer Maschine und fragt den Grund für den Stillstand ab. Der Maschinenbericht gibt als Ursache des Stillstands an, dass keine Materialien zur Verarbeitung zur Verfügung standen. Dabei spiegelt der Bericht lediglich einen Prozentsatz des Problems und nicht die gesamte Ursache des Ausfalls wider. Das ist bei ca. 80% aller maschinenbasierter Berichte der Fall, da die Ursache häufig auf Problemen beruht, die nicht mit der stillstehenden Maschine zusammenhängen. In diesem Fall fragt dann der Bediener den Bericht der vorherigen Maschine ab. Dieser Bericht verweist auf einen “Fehler bei der Materialaufnahme“. Der Bediener prüft daraufhin die Maschine und stellt fest, dass der Feeder, der das Problem verursacht hat, leer ist und keine Ersatzmaterialien zur Verfügung stehen. Damit ist klar, dass der Fehler im Bereich Materiallogistik liegt. Auf Nachfrage bei einem zuständigen Mitarbeiter in der Logistik erhält der Mitarbeiter die Auskunft, dass dem Problem nachgegangen werde. Am Vortag war der Materialsatz vorbereitet, daher könne man sich das plötzliche Fehlen nicht erklären. Nach Durchsicht des Bausatzes und der verwendeten Spulen im Abfall wird schließlich klar, dass eine Materialspule tatsächlich gefehlt hat. Nach Durchsicht der Unterlagen zur Vorbereitung des Bausatzes gelangt der Mitarbeiter zu dem Schluss, dass die fehlenden Materialien von dem Bausatz entwendet und an einer anderen Linie verwendet wurden. Auf Grund von Verderb oder einer falschen Anzahl von Spulen kann einer Linie plötzlich das Material ausgehen. Da das Materiallager während der Nachschicht allerdings geschlossen ist, ist es am einfachsten, Materialien anderer Bausätzen zu verwenden, um die Linie am Laufen zu halten. Anstatt das Problem zu beheben, wird es somit lediglich vertagt. Beim Ausfall zweier Maschinen würden die Bediener unter enormem Druck stehen, die Linien wieder zum Laufen zu bringen. Es würde wertvolle Zeit kosten, eine Spule aus dem Lager anzufordern und deren Entnahme in ERP zu dokumentieren. Daher ist es naheliegend im Bereich teilweise verbrauchter Materialien nachzusehen, ob dort noch Materialien verfügbar sind, welche die Linie wieder zum Laufen bringen würden. Dort stellt man fest, dass es eine Spule mit ausreichender Anzahl an Bauteilen gibt, die auch die richtige Sachnummer aufweist. Daher wird sie auf der Maschine platziert und die Produktion gestartet. Einige Wochen später ist das vorherrschend Thema eines Managementmeetings, dass ein Kunde nicht genehmigte Materialien von einem unqualifizierten Hersteller in seinen Produkten festgestellt hat. Aufgefallen war dies, da ein Kunde ein defektes Produkt gemeldet hatte. Die Abmessungen des nicht genehmigten Bauteils unterschieden sich etwas von den genehmigten Bauteilen anderer Lieferanten. Dies führte zu einer größeren Schwankung der Positionsgenauigkeit, wodurch die Verbindungen geschwächt waren und der Defekt verursacht wurde. Der Produktionsleiter kann sich noch vage an eine geringere Ausbeute erinnern, als das fehlerhafte Auftragslos hergestellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde allerdings nichts weiter unternommen, da es eine sehr hektische Zeit war. Nun sucht der Kunde aufgrund dieses Problems einen neuen EMS-Partner.
Die digitale Fabrik:
In der digitalen Fabrik würde man erwarten, dass die Maschine eine CFX-Nachricht an das IIoT MES-System übermittelt, um anzuzeigen, dass ein Stillstand erfolgte, weil das Produkt nicht ankam. Da das MES Kenntnis über die Konfiguration der Linie hat, würde es die vorhergehende Maschine bestimmen und deren Status abfragen. Allerdings würde es dazu in der Regel gar nicht erst kommen, da das MES bereits auf die Nachricht “Aufnahmefehler” der vorherigen Maschine reagiert hätte. Auch das wäre in der digitalen Fabrik allerdings höchst unwahrscheinlich. Denn das MES kennt sämtliche Details eines Produkts und weiß, wie der Auftrag auf die Maschinen der Linie verteilt ist, und weiß außerdem, wo sich alle Materialeinrichtungsstellen befinden. Das MES kennt sämtliche Details eines Produkts und weiß, wie der Auftrag auf die Maschinen der Linie verteilt ist, und weiß außerdem, wo sich alle Materialeinrichtungsstellen befinden. Das MES kennt auch die spezifischen Materialien, die in die Maschine geladen werden, die Menge, die jede Spule enthält, und die Anzahl, die pro Produktionseinheit entnommen wird, sowie die Produktionsrate der Einheiten und den eventuellen Ausschuss. Bevor also diese Situation eingetreten wäre, hätte das MES eine genehmigte Ersatzspule angefordert, und zwar lange bevor es zu einem Maschinenstillstand gekommen wäre. Allerdings kann auch ein MES menschliches Verhalten, wie die Entnahme von Materialien aus einem Bausatz nicht vorhersehen. Jedoch weist ein digitales MES die Materialien den Maschinen zu, und zwar auf einer „Just in Time“ Basis. Das bedeutet, dass Bausätze überhaupt nicht benötigt werden. Daher gibt es keinen Grund mehr, Materialien zu entwenden, denn es kommt zu keiner Knappheit bei den Bausätzen, da es keine Bausätze mehr gibt. Selbst wenn ein Bediener Materialien am falschen Ort verwenden wollte, würde das System dies verhindern. Daher kommt es nicht mehr zu Qualitätsproblemen, es gibt keine unzufriedenen Kunden mehr und Geschäftsmöglichkeiten gehen nicht mehr verloren.
Verwendet man dieses Beispiel bei der Ermittlung der Kapitalrendite für die Digitalisierung der Werksebene? Selbstverständlich kann eine digitale Fabrik, die ein MES einsetzt, nicht mit einer herkömmlichen analogen Fabrik verglichen werden, da die Abläufe sich grundlegend unterscheiden. Viele nachgeschaltete Probleme können korrigiert werden, da schlechte Praktiken vermieden werden. Der Wert, der in diesem Beispiel von den CFX-Daten erzielt wurde, bestand nicht nur in der bloßen Analyse der Daten selbst, sondern in den daraus resultierenden betrieblichen Verbesserungen. Und dabei ist dies nur ein ganz einfaches Beispiel für viele alltägliche Probleme, die in der analogen Fertigung auftreten und die Dank der digitale Revolution der Fabrik der Vergangenheit angehören.
Ebene 3: Künstliche Intelligenz (KI)
Einige Unternehmen kennen bereits die Theorie der Simulation von Fabrikprozessen. Da die beste Software in diesem Bereich allerdings sehr teuer und auch hochspezialisiert ist, ist sie dem breiten Publikum noch weitgehend unbekannt. Außerdem ist selbst diese dann veraltet, wenn sie in einer Industrie 4.0 Umgebung eingeführt wird. Die Simulationen basieren auf tagesgenauen, wöchentlichen oder auch monatlichen Zeitabschnitten eines Fabrikbetriebs. Industrie 4.0 Prozesse verändern sich aber täglich und auch abhängig von der Kundennachfrage und daher sind Simulationen eigentlich bereits unmittelbar nachdem sie fertiggestellt werden, nutzlos. Allerdings sind die Probleme, mit denen sich die Simulationsanwendungen befassen, auch in Industrie 4.0 relevant, wenn der Betrieb ein hohes Produktionsniveau aufrechterhalten und gleichzeitig eine große Vielfalt von Produkten aufnehmen soll. Die Antwort muss allerdings anders lauten. Ein MES der zweiten Ebene ist höchst effizient in der Verwaltung von Terminplänen und überblickt, was aktuell an den Linien geschieht und alles, was sich darauf stützt, und analysiert die Daten in Echtzeit, um die Entscheidungsfindung zu automatisieren und zu unterstützen. Auf Ebene 3 hingegen geht es darum, Einblicke in Bereiche zu erhalten, in denen Daten fehlen. Dazu muss der gesamte Vorgang verstanden werden, wenn es zu Engpässen kommt, um ein besseres Zeitmanagement zu gewährleisten, um beispielsweise Wartungsarbeiten erst dann durchzuführen, wenn die Linie nicht gebraucht wird. Ganz gleich, wie sachkundig oder kompetent eine Person auch sein mag, es ist unmöglich, die Tausenden von Variablen zu verfolgen und zu überwachen, die zur Verwaltung und ständigen Optimierung des Fertigungsbetriebs verwendet werden können. Das große Ziel von Industrie 4.0 ist es, mit Hilfe von KI, die High-Mix Produktion zu unterstützen und zu verbessern.
Fazit:
Damit Ebene 3 sich weiterentwickeln kann, ist sie von den Ebenen 1 und 2 abhängig und das ist der Grund dafür, dass die meisten Menschen sich die Möglichkeiten, die Ebene 3 bietet, gar nicht vorstellen können und es immer noch veraltete Simulationssysteme gibt. Die Technologie, die die CFX-Datenerfassung auf Ebene 1 mit der jetzt verfügbaren modernen MES-Plattform auf Ebene 2 kombiniert, kann erstaunliche Transparenz und Kontrolle in der Fabrikhalle und im gesamten Fertigungsprozess bieten. Jetzt können wir auf den Wandel der Lösungen auf Ebene 3 gespannt sein.
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